Behalten Sie den Überblick bei der Systementwicklung mit modellbasiertem Systems Engineering (MBSE)

Viele Unternehmen sind an der Einführung von MBSE interessiert, weil es die Zusammenarbeit und Interdisziplinarität in der Systementwicklung verbessert. Durch die Verwendung eines gemeinsamen Modells können verschiedene Disziplinen wie Ingenieure, Designer und Entwickler effektiver zusammenarbeiten und ihre Arbeit koordinieren. Das Modell bietet eine einheitliche Basis für die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen den Teams. Dadurch können Fehler früher im Entwicklungsprozess erkannt und die Entwicklungszeit verkürzt werden. Darüber hinaus ermöglicht MBSE eine bessere Nachvollziehbarkeit und Verständlichkeit der Systementwicklung, da das Modell eine klare und konsistente Darstellung des Systems bietet. Dies erleichtert auch die spätere Wartung und Weiterentwicklung des Systems.

MBSE – Was ist das eigentlich?

Model-Based Systems Engineering (MBSE) bezeichnet das Konzept einer durchgängigen Beschreibung und Analyse des zu entwickelnden Systems auf Basis von Modellen, von der frühen Phase der Konzipierung über den gesamten Produktlebenszyklus [1].

Laut INCOSE, dem International Council on Systems Engineering, ist die Zukunft der Produktentwicklung modellbasiert. Doch was ist das genau? [2] Beim modellbasierten Systems Engineering werden Informationen über ein System nicht mehr ausschließlich in Dokumenten festgehalten, sondern in Modellen dargestellt und dokumentiert. Modellbasiertes Arbeiten bietet auch im Systems Engineering eine Reihe von Vorteilen gegenüber der traditionellen dokumentenzentrierten Vorgehensweise. So unterstützt z. B. die Entwicklung eines Systemmodells, in dem alle wichtigen Informationen über das Produkt gebündelt sind, jeden einzelnen Stakeholder dabei, das System als Ganzes zu betrachten. Insbesondere die interdisziplinäre Arbeit und Kommunikation wird durch den Einsatz von Modellen deutlich erleichtert. Was genau ein Systemmodell ist und welche zentralen Begriffe sonst noch wichtig sind, erfahren Sie hier! [3]

MBSE kurz erklärt
Weg vom dokumentenzentrierten Engineering und hin zum modellbasierten Systems Engineering (MBSE) [5].
  • Komplexität beherrschen
  • Modulare Ansätze unterstützen
  • Varianten beherrschen
  • Reduktion von Fehlern und Missverständnissen im Entwicklungsprozess durch präzisere und konsistentere Modellierung
  • Verbesserung der Kommunikation, d.h. konkret die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Beteiligten im Entwicklungsprozess durch die Verwendung einer gemeinsamen Sprache und einheitlicher Notationen
  • Die Systembeschreibung konsistent zu gestalten
  • Prozesse optimieren
  • Wiederverwendung verbessern
  • Kosten senken und Qualität steigern
  • Schnittstellen beschreiben
  • Systemqualität und -zuverlässigkeit verbessern
  • Unterstützung der Entscheidungsfindung durch modellbasierte Analysen und Simulationen [6]
  • Interdisziplinäre Betrachtung des Systems
  • Verbesserte Verständlichkeit und Transparenz des Systems
  • Koordination der Entwicklungsaktivitäten
  • Früherkennung von Risiken und Fehlern
  • Erleichterte Verifikation und Validierung
  • Höhere Wiederverwendbarkeit von Modellen und deren Komponenten
  • Verbesserung der Kommunikation und Unterstützung des orts- und zeitunabhängigen Arbeitens
  • Effizientere Entwicklung und schnellere Markteinführung [7]
  • Die Notwendigkeit der Einführung neuer Technologien und Werkzeuge wird oft in Frage gestellt
  • Eine MBSE-Methodik muss an die Bedürfnisse der Organisation angepasst werden
  • Geeignetes Werkzeug finden
  • Teilweise Mehraufwand in frühen Entwicklungsphasen
  • Notwendigkeit der Schulung von Ingenieuren und anderen Mitarbeitern in der Anwendung von MBSE
  • Änderung gewohnter Arbeitsabläufe und Strukturen
  • Schulung und Motivation der Mitarbeiter
  • Einführung ist ressourcen- und zeitintensiv
  • Veränderungsmanagement erforderlich, alle Stakeholder müssen einbezogen werden
  • Rollout benötigt Zeit
  • Nutzen/Verbesserung oft schwer messbar [8]

Mehrwerte für einzelne Stakeholder sichtbar machen

Wie bereits in den Herausforderungen erwähnt, stellt der hohe initiale Einarbeitungsaufwand für viele Stakeholder eine große Hürde dar. Wie schafft man es also, jeden mit ins Boot zu holen? Schlicht und einfach – man holt jede Person dort ab, wo sie gerade ist. Um diesen Prozess zu erleichtern und einen Überblick darüber zu bieten, welchen Rollenclustern MBSE welche Vorteile bringen kann, haben wir zur Orientierung Personas entwickelt:

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Fragenkatalog Einführung MBSE

Um die Einführung von MBSE zu erleichtern, ist es sinnvoll, sich vorab mit einigen Fragen zu beschäftigen. Als Hilfestellung und Anregung haben wir einen Fragenkatalog entwickelt, der die wichtigsten Themen abdeckt!

Was möchte ich mit MBSE erreichen? 

Wie bei allen anderen Projekten auch, ist es notwendig sich über die Zielsetzung einer MBSE-Einführung Gedanken zu machen: Will ich Kosten und Zeit sparen? Möchte ich in der gleichen Zeit innovativere Produkte entwickeln können? Was treibt den Wandel von dokumentenzentriertem zu modellbasiertem Arbeiten? 

Wo soll eine modellbasierte Entwicklung konkret zum Einsatz kommen und wo werden Modelle schon heute im Unternehmen eingesetzt?

Hier sollten (Unternehmens-)Bereiche reflektiert werden, in denen MBSE eingesetzt werden sollte. In welchen Phasen des Produktlebenszyklus sollten Modelle einsetzt werden? Welche Prioritäten kann ich aus dieser Entscheidung für mich ableiten? Wo werden bereits Modelle eingesetzt? Was beschreiben sie und welchen Zweck erfüllen sie? Wie formal sind sie und wer erstellt die Modelle bisher? Werden bereits Modellierungswerkzeuge eingesetzt? Wie muss die Unternehmens-IT eingebunden werden?

Für etwas Orientierung in diesem Prozess können die im Forschungsprojekt SE4OWL entwickelten SE-Prinzipien sorgen. Diese werden u. a. in den Schulungen des Fraunhofer IEM zum SE-Transformationsprozess thematisiert. Auch die im Forschungsprojekt erarbeiteten SE-Zukunftsszenarien können dabei helfen abzuschätzen, in welchem Rahmen MBSE für ihr Unternehmen sinnvoll ist.

Welche Modellarten brauche ich?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten Systeme in Form von Modellen zu beschreiben: um Strukturen abzubilden, können hierarchische Modelle erstellt werden. Soll das Systemverhalten z.B. in Form von Abläufen beschrieben werden, helfen bspw. Flussdiagramme. Dabei muss zuvor klar sein: Was will ich beschreiben? (z.B. Systemanforderungen, Systemarchitekturen, Systemverhalten) Wer soll von den Modellen profitieren? Welches Abstraktionsniveau möchte ich beschreiben?

Wie formal sollen die Modelle sein?

Die verschiedenen Modelle können unterschiedlich formal sein. Je nach Verwendungszweck sollte auch hier im Vorfeld definiert sein: Möchte ich standardisierte Sprachen wie SysML verwenden? Muss ich die Modelle über eine standardisierte Schnittstelle austauschen können (z.B. mit externen Zulieferern oder an Auftragsgebern)?

Wie kann ich meine Mitarbeiter für die MBSE-Einführung gewinnen und qualifizieren?

Das Forschungsprojekt SE4OWL hat sich mit der Fragestellung „Wie kommuniziere ich die SE-Einführung innerhalb meiner Organisation?“ auseinandergesetzt. Dazu wurde ein Kommunikationsleitfaden entwickelt.

In einer Expertenstudie zum Thema „Lessons Learned in der SE-Einführung“ wurde die Empfehlung von Experten gegeben, Mitarbeiter durch eine SE-Basisschulung abzuholen. Geht man die Schritte einer SE-Einführung sollte darüber hinaus über geeignete Schulungs- und Qualifizierungskonzepte nachgedacht werden. Das Paper „Identification of stakeholder-specific Systems Engineering competencies for industry“ geht darauf ein, wie man ermitteln kann, wer welche Kompetenzen auf welchem Niveau braucht und wie man diese am besten vermitteln kann. Dafür stellt das Forschungsprojekt SE4OWL einen Qualifizierungsleitfaden zum Download bereit.

Da der Einstieg in das Thema Systems Engineering häufig schwierig ist, können Serious Gaming Ansätze nützlich sein. Das SE-Spiel BBiQ bietet daher einen spielerischen Einstieg.

Wie kann ich Anwender bei der Methoden- und Werkzeuganwendung unterstützen? Wie kann dies gut aufeinander angepasst werden?

Das Forschungsprojekt SE4OWL hat zu diesem Thema Handlungsleitfäden erarbeitet. Diese können hier heruntergeladen werden: Leitfaden Methodenanpassung und Leitfaden Werkzeuganpassung. Zudem bietet der Methodenkoffer Erklärungen, Anwendungsbeispiele und weiterführende Literatur zu den wichtigsten SE-Methoden.

Eine weitere Empfehlung in diesem Zusammenhang lautet:

„Unterstützen Sie die Modellierung durch ein Wiki, in dem Vorlagen und Erläuterungen sowohl zu den Methoden als auch zu den Werkzeugen für die Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden.“

Womit fange ich an?

Im Forschungsprojekt SE4OWL wurde anhand eines Demonstratorunternehmens erläutert, wie die Einführung von Systems Engineering tatsächlich aussehen könnte. Einsortiert in die Storyline sind außerdem die passenden iHilfsmittel kostenlos abrufbar.

Um eine Roadmap für die Einführung von MBSE zu entwickeln, ist es zudem notwendig, den aktuellen Status zu kennen. Ein Reifegradmodell zur Bewertung des IST-Zustandes sowie die Definition eines SOLL-Zustandes können helfen, die notwendigen Handlungsfelder zu identifizieren. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen von SE4OWL ein SE-Reifegradmodell entwickelt. Wie dieses zur Entwicklung einer Roadmap und während der Einführung als Messinstrument genutzt werden kann, wird im Paper „Implementation of Systems Engineering: A maturity-based approach“ beschrieben.

Quellenverzeichnis

[1] Gausemeier, J., Dumitrescu, R., Echterfeld, J., Pfänder, T., Steffen, D., Thielemann, F: Innovationen für die Märkte von Morgen. Strategische Planung von Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen. Carl Hanser Verlag, München, 2019. S. 404.

[2] https://www.incose.org/about-systems-engineering/se-vision-2035

[3] Bremer, C.: Systematik zur Modellierung flexibler Produktionsanlagen im Model-Based Systems Engineering. Dissertation, Fakultät Maschinenbau, Universität Paderborn, Paderborn 2020. S. 44.

[4] Böhm, W., Broy, M., Junker, M., Vogelsang, A., Voss, S.: Praxisnahe Einführung von Systems Engineering. Vorgehen und Lessons Learned. fortiss, München 2020. S. 7.

[5] https://kem.industrie.de/systems-engineering/model-based-systems-engineering-mbse/

[6] Böhm, W., Broy, M., Junker, M., Vogelsang, A., Voss, S.: Praxisnahe Einführung von Systems Engineering. Vorgehen und Lessons Learned. fortiss, München 2020. S. 6.

[7] Böhm et al. S. 6f.; Vgl. Gausemeier et al. S. 405f.

[8] Böhm et al. S. 8f.

[9] Bremer, C.: Systematik zur Modellierung flexibler Produktionsanlagen im Model-Based Systems Engineering. Dissertation, Fakultät Maschinenbau, Universität Paderborn, Paderborn 2020. S. 38ff.

[10] Alt, O.: Modellbasierte Systementwicklung mit SysML. Carl Hanser Verlag, München, 2012.

[11] Bremer, C.: Systematik zur Modellierung flexibler Produktionsanlagen im Model-Based Systems Engineering. Dissertation, Fakultät Maschinenbau, Universität Paderborn, Paderborn 2020. S. 39.

[12] Gausemeier, J., Dumitrescu, R., Echterfeld, J., Pfänder, T., Steffen, D., Thielemann, F: Innovationen für die Märkte von Morgen. Strategische Planung von Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen. Carl Hanser Verlag, München, 2019. S. 407.

[13] Gausemeier, J., Dumitrescu, R., Echterfeld, J., Pfänder, T., Steffen, D., Thielemann, F: Innovationen für die Märkte von Morgen. Strategische Planung von Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen. Carl Hanser Verlag, München, 2019.

[14] Bremer, C.: Systematik zur Modellierung flexibler Produktionsanlagen im Model-Based Systems Engineering. Dissertation, Fakultät Maschinenbau, Universität Paderborn, Paderborn 2020. S. 40ff.

[15] Bremer, C.: Systematik zur Modellierung flexibler Produktionsanlagen im Model-Based Systems Engineering. Dissertation, Fakultät Maschinenbau, Universität Paderborn, Paderborn 2020. S. 40.

Best Practice MBSE Model Based Systems Engineering SE4OWL

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Autor*in des Beitrags: Fraunhofer IEM
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